Erster VDL-ScienceTalk gibt Einblick in digitalen Pflanzenschutz

Am 4. März 2021 wurde FarmerSpace im Rahmen des ersten virtuellen "Green Livestream – VDL-ScienceTalk" einer breiten Fachöffentlichkeit vorgestellt. Sebastian Streit, wissenschaftlicher Mitarbeiter des IfZ, erläuterte in seiner Präsentation zunächst den interdisziplinären Ansatz und die beteiligten Projektpartner. Nicht nur technisches Knowhow und ackerbauliche Kompetenz, sondern auch der adressatenorientierte Praxistransfers und schließlich betriebswirtschaftliche Expertise sind in das Experimentierfeld FarmerSpace eingebunden.

Im Rahmen des Projekts erfolgt im Jahr 2021 zunächst eine Eingrenzung auf Fragen des Unkrautmanagements bei Zuckerrüben sowie des Managements von Blattkrankheiten im Weizen. Dabei werden unterschiedliche digitale Technologien eingesetzt und in ihrer Handhabung und Wirkung auf Ertrag und Deckungsbeitrag verglichen.

Unkrautmanagement mit Drohnen und Robotern

Bei Zuckerrüben besteht die Herausforderung des digitalen Unkrautmanagements darin, die Unkräuter innerhalb und zwischen den Reihen zu entfernen, ohne die Rüben zu beschädigen, und dabei den Einsatz von Herbiziden zu minimieren. Mit digitaler Unterstützung lassen sich mechanische Hacksysteme dirigieren, aber auch Herbizide punktgenau über Einzelpflanzen ausbringen. Hier kommt es darauf an, wie genau die optische Unkrauterkennung funktioniert und wie filigran die aktuell verfügbare Technik auf dem Feld zu steuern ist. 

 Bei einer Versuchsanstellung werden vier digital gesteuerte Hacksysteme mit einer manuellen Kontrollvariante verglichen; erfasst werden als Parameter die Art und Anzahl der Unkräuter, der Bedeckungsgrad und schließlich der Rübenertrag als wirtschaftliches Ergebnis der Bekämpfungsmaßnahme. Neben der Bewertung der eingesetzten Technologien interessiert auch die Weiterentwicklung von versuchstechnischen Methoden, zum Beispiel die drohnengestützte Bonitur und digitale Auswertung von Versuchsparametern wie dem Unkrautbedeckungsgrad im Vergleich zur händischen Bonitur.

Bei einer weiteren Versuchsanstellung testet die sensorgestützte Ausbringung von Herbiziden im Nachauflauf mit dem "Weedseeker". Das System soll eine punktgenaue Behandlung von resistenten Einzelpflanzen gewährleisten und so laut Hersteller den Herbizideinsatz um bis zu 90 % verringern. Mit einem Trickfilm veranschaulichte Sebastian Streit das Prinzip, nach dem der Sensor optisch in Sekundenbruchteilen erkennt, ob der Sprayer gerade ein Unkraut überfliegt und den Sprühvorgang über der Pflanze kurzzeitig ein- und wieder ausschaltet. Ob und wie gut das funktioniert, werden die Versuche zeigen, die in nächster Zeit gedrillt werden.

Fungizideinsatz mit Sensoren terminieren

Ganz anders müssen digitale Problemlösungen aussehen, die zum Monitoring von Blattkrankheiten mit digital gestützten Prognosemodellen eingesetzt werden. Die Versuche werden im Jahr 2021 schwerpunktmäßig im Winterweizen durchgeführt. Das Mikroklima im Bestand wird mit Hilfe von Sensoren in den jeweiligen Parzellen gemessen. Mit Hilfe der Werte lassen sich teilflächenspezifische Unterschiede erfassen und in Kombination mit allgemeinen Wetterdaten die Befallswahrscheinlichkeit einschätzen. So lassen sich automatisiert Schadschwellen bestimmen und Fungizidmaßnahmen terminieren.

Generierung, Verarbeitung und Schutz von Daten

Die Ausführungen von Sebastian Streit zeigten, dass die Digitalisierung vor allem mit der Generierung und Nutzung von großen Datenmengen verbunden ist. Folglich wurde in der Diskussion hinterfragt, ob die im Feld verfügbare Bandbreite der Mobilfunknetze ausreiche, um die Datenmengen online in ausreichender Geschwindigkeit zu verarbeiten, zumal auf absehbare Zeit oft schon 4G nicht verfügbar sei, von 5G ganz zu schweigen. Wenn die Daten in entsprechender Menge und Qualität verfügbar sind, steht die Frage des Dateneigentums im Raum: Wem gehören sie, dem Landwirt, dem Hersteller, dem Lohnunternehmer, wer profitiert letztendlich? 

Eher praktischer Natur waren Fragen zur Anzahl, Positionierung und Nutzung der Sensoren für die Erfassung des Feldmikroklimas, vor allem auf Böden, die aufgrund ihres Steingehalts und anderer physikalischer Eigenschaften den Einsatz der Sensortechnik erschweren können. Auch erste Erkenntnisse zu versuchstechnischen Fragen, hier der Unkrautbonitur mit Drohnen, werden mit Spannung erwartet.

Praxistransfer begleiten

Flankierend zu der praktischen Versuchstätigkeit werden im Projekt auch Fragen der Kommunikation untersucht:

Gibt es Vorurteile und Hemmschwellen, die neuen Technologien einzusetzen?
Welche Voraussetzungen müssen Landwirte mitbringen, um digitale Technologien optimal nutzen zu können?
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Beratung der Betriebe? 

Diese und andere Fragen zur Kommunikation stehen im Mittelpunkt weiterer Untersuchungen, die im Rahmen von Befragungen und Versuchsdemonstrationen, Feldtagen und Messebeteiligungen durchgeführt werden. 

Als kleinen Beitrag zu dieser Thematik lud Sebastian Streit die Teilnehmer*innen zu Beginn der Veranstaltung zu einer kleinen Umfrage ein, die er am Ende mit veränderter Fragestellung wiederholte. Etwa ein Drittel der Teilnehmer am ScienceTalk nutzten die Befragungen, um ihre Einschätzung mitzuteilen. 

 Die Befragten betrachteten ein breites Spektrum von Anwendungen als "digital", die teils schon seit Jahren in der Paxis etabliert sind, wie etwa digitale Ackerschlagkarteien, GPS und Fernerkundung. Cloud-Diensten und Webappplikationen wird offensichtlich noch nicht die gleiche Relevanz zugebilligt wie den Anwendungsfeldern "Automatisierung" und "autonom fahrende Fahrzeuge".

 Vielversprechende Anwendungsfelder werden vor allem in der teilflächenspezifischen Düngung, aber auch im Pflanzenschutz und in der Dokumentation gesehen.

Alle Befragten stimmten in der positiven Bewertung digitaler Technologien im Pflanzenschutz überein und schrieben ihnen großes Potenzial zu. Am Ende der Präsentation hielten alle Befragten es für wahrscheinlich oder sicher, dass digitalen Technologien einen Beitrag zur Einsparung von Pflanzenschutzmitteln leisten können. Dass allerdings innerhalb von 20 Jahren Drohnen oder Roboter zum ackerbaulichen Standard gehören, das konnten sich nur 70 % der Befragten vorstellen.

Interessant für das Projekt ist die Einschätzung, mit welchen Informationsquellen die Befragten sich zukünftig über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten wollen: Mehrheitlich wird eine fachspezifische Website gewünscht, die den Erfahrungsaustausch ermöglicht und Tutorials zum Selbststudium anbietet. 

Die Ergebnisse der Umfrage vor dem Vortrag können Sie hier abrufen. Die Umfrageergebnisse der Fragen nach dem Vortrag hier.

Ausblick

Das Projekt steht noch am Anfang, in diesem Jahr laufen die ersten Versuche. So können zwar viele Anregungen aus der Diskussion in die weitere Arbeit einfließen, auf Erkenntnisse und Antworten wird man allerdings warten müssen. Dr. Harry Jansing, der den ScienceTalk moderierte, stellte zum Ende der Veranstaltung fest, dass in den nächsten Jahren viele spannende Ergebnisse aus dem FarmerSpace-Projekt erwartet werden können. Besondere Aufmerksamkeit ist vor allem der Frage zu widmen, wann und mit welchen Konsequenzen digitale Systeme breit in der Praxis ankommen – und welche Auswirkungen sie auf die zukünftige Entwicklung der Landwirtschaft haben werden.

Kann die Drohne Unkräuter von Rüben unterscheiden? Eine von vielen Fragen, die auf dem Versuchsfeld erforscht werden. (Foto: IfZ)
Kann die Drohne Unkräuter von Rüben unterscheiden? Eine von vielen Fragen, die auf dem Versuchsfeld erforscht werden. (Foto: IfZ)