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Fungizide im Winterweizenanbau: 

Ein Blick auf Prognosemodelle und die Wahl des richtigen Applikationszeitraums

Bild: Sophie Lange

Im Anbau von Winterweizen spielen Fungizide eine entscheidende Rolle, um den Ertrag zu sichern und die Qualität der Ernte zu gewährleisten. Doch nicht jede Maßnahme erweist sich in jedem Jahr als wirtschaftlich sinnvoll. Auch in Niedersachsen ist eine intensive Fungizidstrategie mit drei Applikationen weit verbreitet, und das obwohl in Versuchen der LWK Niedersachsen im Durchschnitt der Standorte und Jahre reduzierte Strategien häufig am wirtschaftlichsten sind. Wenn allerdings eine Infektion zum falschen Zeitpunkt unbehandelt bleibt, drohen durch die Ausbreitung des Erregers empfindliche Ertragseinbußen.

Doch welche Alternativen gibt es, insbesondere wenn es um Krankheiten wie Septoria-Blattdürre geht, bei denen es beim Auftreten von Symptomen zu spät für eine effektive Bekämpfung ist und somit gängige Bekämpfungsschwellen nicht anwendbar sind? Wie kann der Zeitaufwand für eine ordentliche und repräsentative Kontrolle der Bestände gezielt reduziert werden, ohne die Ertragsabsicherung durch Fungizide zu riskieren?

1. Was können Prognosemodelle leisten?

Prognosemodelle, wie beispielsweise die frei verfügbaren Modelle der “Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz” (kurz: ZEPP) die über die Plattform des Vereins “Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion e. V.” (kurz: ISIP) erreichbar sind, simulieren die Infektionswahrscheinlichkeit von Pflanzenkrankheiten. Dafür nutzen sie den Zusammenhang zwischen Umweltbedingungen und Schaderregereigenschaften. Haupteinflussfaktor ist das Wetter mit Werten für Lufttemperatur, Luftfeuchte und Niederschlag. Aber auch die Fruchtfolge, die Art der Bodenbearbeitung und Sorteneigenschaften können Einflussfaktoren in Modellen sein.

Die Frage, ob Prognosemodelle eine praktikable Entscheidungshilfe bei der gezielten Fungizid-Applikation sein können, wird durch Feldversuche im Rahmen des digitalen Experimentierfeldes FarmerSpace beleuchtet. Die Versuchsergebnisse aus den Jahren 2020 bis 2023 zeigen ein gemischtes Bild:
Insbesondere in trockenen Jahren mit geringer Infektionswahrscheinlichkeit dienen die Modelle als gute Orientierungshilfe. Sie ermöglichen gezielte Feldbegehungen und führen so zu Zeitersparnis und genaueren Applikationszeitpunkten. In nassen Jahren bei insgesamt höherem Risiko schlagen die Modelle häufiger Alarm. Es ist jedoch zu beachten, dass die simulierte Infektionswahrscheinlichkeit nicht immer mit den tatsächlich beobachteten Infektionen übereinstimmt. Wenn es keinen Erregereintrag in den Bestand gegeben hat, kann eine Erkrankung auch trotz günstiger Infektionsbedingungen ausbleiben. Es kommt in solchen Fällen also zu einer falsch-positiven Prognose. Außerdem zu beachten ist, dass nur das Risiko einer Infektion angezeigt wird. Der Infektionsverlauf selbst wird bei eher einfach gehaltenen Modellen nicht simuliert.

In der Praxis sind neben Modellen, die von offizieller Stelle entwickelt und validiert werden, auch Modelle aus der freien Marktwirtschaft verfügbar. Viele dieser Ansätze geben dem Landwirt nicht nur Informationen über die Infektionswahrscheinlichkeiten auf seinen Flächen, sondern auch Handlungsempfehlungen inklusive der Pflanzenschutzmittelauswahl. Zum Teil werden sogar direkt Applikationskarten mit variabler Aufwandmenge anhand des aus Satellitenbildern abgeleiteten Biomasseaufwuchses vorgeschlagen. Um den Nutzen und die Risiken verringerter Aufwandmengen beim Fungizideinsatz soll es an dieser Stelle nicht gehen, es bleibt aber eine Tatsache, dass der integrierte Pflanzenschutz indikationsbasiert zu erfolgen hat. Eine Bekämpfung von Krankheiten, die in den Beständen gar nicht vorkommen verbietet sich daher. Der Pflanzenschutz vom Schreibtisch aus, ohne vorherige Feldkontrolle, kann den aktuellen Anforderungen nicht gerecht werden und ist zudem schlicht unwirtschaftlich.

2. Lohnt es sich in eine eigne Wetterstation zu investieren, um die Prognose zu verbessern?

Die Idee, dass lokale Wetterdaten die Prognose der Infektionswahrscheinlichkeit verbessern können, wurde in den letzten Jahren intensiv diskutiert. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurde in unseren Feldversuchen das SIG-Prognosemodell von ISIP, einmal mit grob aufgelösten Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes (kurz: DWD) und einmal mit lokal gemessenen Daten, gespeist. Die Abbildung 1 stellt die Wetterdaten und Prognosen für den Fungizidversuch im Jahr 2023 am Standort Göttingen dar. Es zeigte sich, dass Messunterschiede in Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag zwar vorhanden, aber nicht signifikant genug waren, um einen merklichen Einfluss auf die vom Modell errechnete Infektionswahrscheinlichkeit zu haben. Die geringfügigen Abweichungen in den Prognosen sind wenige und nicht in die eine oder andere Richtung auffällig. Im Versuch wurden aus den Infektionswahrscheinlichkeiten direkt Behandlungsentscheidungen abgeleitet. Dies geschah explizit nur zu Versuchszwecken. Das Resultat war ein identischer Behandlungsindex von 1,6 sowie ein nicht zu unterscheidender Kornertrag in beiden Varianten mit Prognosemodell (siehe Abbildung 2). Dennoch war der Ertrag aus den Prognosemodellen signifikant höher als in der unbehandelten Kontrolle und vergleichbar mit dem Ertrag aus der Intensiv-Variante mit einem Behandlungsindex von 2,2. Die Variante mit pauschaler Fungizid-Reduzierung auf eine Behandlung im Fahnenblatt lag ertraglich genau zwischen den beiden Extremen.

Reinshof_Wetter_Prognose

Abbildung 1: Wetterverlauf am Standort Göttingen im Versuchsjahr 2023 anhand von zwei Datengrundlagen (unten), dazu die jeweils modellierten Infektionswahrscheinlichkeiten der relevanten Blattkrankheiten im Weizen (oben).

Der Versuch ist ein weiteres Beispiel, das unterstreicht, dass durch die gezielte Wahl von Applikationszeitpunkten Einsparungen möglich sind, ohne den Ertrag zu gefährden. Prognosemodelle können dabei unterstützen. Eine Investition in eigene Wetterstationen zur Verbesserung der Krankheitsprognose scheint zum aktuellen Zeitpunkt allerdings nur bedingt empfehlenswert, wenn diese speziell für die Krankheitsvorhersage eingesetzt werden soll. Dies gilt umso mehr, da die gängigen Prognosemodelle mit gröber aufgelösten Wetterdaten entwickelt und validiert wurden.

ErtragXBehandlung_Reinshof2023

Abbildung 2: Ertragsergebnisse des Feldversuches in Göttingen 2023 in der Sorte RGT-Reform. Die Zahl im Balken gibt den Behandlungsindex mit Fungiziden an.

Es liegt an dieser Stelle die Vermutung nahe, dass die Ähnlichkeit der Prognosen darauf zurückzuführen sei, dass der Versuch in Göttingen am Versuchsgut Reinshof in räumlicher Nähe der Wetterstation Göttingen lag und auf Grund dessen ähnlichere Werte gemessen wurden. Das Projekt FarmerSpace hat in der Pflanzenschutzsaison 2023 an acht Standorten den Vergleich der Prognosen in Abhängigkeit der Datengrundlage angestellt. Das Ergebnis ist in Abbildung 3 zu sehen. An über 85 % der verglichenen Tage stimmten die Prognosen exakt überein, an 7,3 % der Tage war das Risiko in der Prognose laut DWD-Wetter, und in 6,1 % das Risiko laut eigener Wetterstation höher. Es zeigt sich also auch bei größerer Datengrundlage ein vergleichbares Bild: Im Detail kann es zu geringfügigen Abweichungen zwischen den Modellaussagen anhand unterschiedlicher Datengrundlagen kommen, im Großen und Ganzen ändert sich aber an der Aussage nichts. Die Abweichungen sind nicht in eine Richtung ausgeprägt, sondern relativ gleichmäßig in beide Richtungen verteilt.

Histogramm_diff_Befall_rel

Abbildung 3: Histogramm der Abweichung der beiden Modellvorhersagen voneinander im Jahr 2023 an 8 Standorten (Hohes Risiko = 3, mittleres Risiko = 2, kein Risiko = 0).

Die hier getesteten Wetterstationen zeigen in Ihren gemessenen Werten keine gerichtete Abweichung von den Daten des DWD. Eine Übertragbarkeit dieser Ergebnisse ist nur unter dieser Prämisse auf andere Wetterstationen möglich. Ferner gilt es zu beachten, dass eine hohe Datenqualität eine intensive Betreuung der Wetterstationen erfordert. Insbesondere der Regenmesser muss regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf gereinigt werden.

In inzwischen dreijährigen Versuchen (Saisons 2021-2023) zum Thema der Terminierung des Fungizideinsatzes zeigt sich wiederkehrend ein ähnliches Bild, es konnten durch Beobachtung der Prognosemodelle im Vergleich zur festen Dreifachstrategie zuverlässig Maßnahmen eingespart werden, ohne dass sich Infektionen unerkannt in den Beständen ausgebreitet haben. Diese Ergebnisse sind sicherlich anteilig durch die Jahreseffekte zu erklären, dass generell geringe Ertragsniveau 2021, die ausgeprägte Frühsommertrockenheit mit der verfrühten Abreife 2022 sowie dem “Vertrocknen” der erfolgten Septoriainfektionen in den Jahren 2022-2023. Unterm Strich waren in diesen Jahren eine Reduktion des Fungizidaufwandes ohne Ertragseinbußen möglich und ein Mehreinsatz unwirtschaftlich.

3. Fazit

Prognosemodelle bieten keine perfekte Lösung, sondern sollten als ein Baustein im integrierten Pflanzenschutz betrachtet werden. Sie ermöglichen eine gezielte Kontrolle der Bestände zu kritischen Zeitpunkten und können so Arbeitszeit, Nerven und Fungizidkosten sparen. Welche Zeitpunkte im Verlauf der Vegetation kritisch sein können verrät ein Blick in die Modelle. Gerade bei nicht kurativ zu behandelnden Krankheiten für die praktisch immer ein Inokulum vorhanden ist, wie zum Beispiel Septoria, bieten Prognosemodelle Chancen nicht pauschal, sondern zielgerichtet zu behandeln. Dennoch sind sie vor allem im Gesamtkonzept mit anderen Maßnahmen wie Fruchtfolge und Sortenwahl effektiv. Speziell dann können sie einen wertvollen Beitrag leisten können, um den Einsatz von Fungiziden im Winterweizenanbau effizienter zu gestalten.

Autoren:

Friedrich Bartels, Sophie Lange 

(Landwirtschaftskammer Niedersachsen),

Steffen Konnemann, Eike Hunze und

Niklas Lohrberg (Agrartechnik, Universität Göttingen)

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Kontakt - Friedrich Bartels: friedrich.bartels@lwk-niedersachsen.de