Fungizidterminierung mithilfe eines Entscheidungsmodells
Blattkrankheiten und deren Erreger verursachen in Mähdruschfrüchten (z.B. Zymoseptoria tritici ssp., Puccinia ssp.) und Hackfrüchten (z.B. Cercoscpora beticola, Erysiphales) jährlich große Ernteausfälle (Savary et al. 2019). Ihre Bekämpfung macht in Mitteleuropa einen nennenswerten Anteil an den applizierten Pflanzenschutzmitteln (PSM) aus. Der Anteil der in Deutschland abgesetzten Fungizide betrug 2020 (nach Tonnage) rund 27 % aller Pflanzenschutzmittel (BVL 2021). Um den Erfolg der Pflanzenschutzmaßnahmen zu gewährleisten, ist die Kenntnis der Biologie der Schaderreger sowie deren Interaktion mit verschiedenen Umweltbedingungen als auch des richtigen Behandlungs-zeitpunktes notwendig. Prognosesysteme modellieren diesen Zusammenhang. Die Validierung und Evaluierung von Prognosemodellen sowie ihrer Modellgüte in Abhängigkeit von den Modellinputs ist ein laufender Prozess, da die Rahmenbedingungen dynamisch sind. Wechselnde Witterungsverhältnisse, veränderliche Rassenspektren der Erreger und der Klimawandel beeinflussen die Interaktion von Kulturpflanze und Schaderreger (Lyon & Broders, 2017, Juroszek & von Tiedemann, 2015, Racca et al., 2013). Sowohl die gezielte Terminierung von PSM-Anwendungen (zeitliche Komponente), als auch die teilflächenspezifische Anpassung der PSM-Ausbringung (räumliche Komponente) an vorherrschende Bestandseigenschaften, haben das Potenzial, Pflanzenschutzmittel durch einen zielgerichteten und lokal begrenzten Einsatz einzusparen. Dies führt zu einer Reduktion der Umweltbelastungen und, bei erfolgreicher Umsetzung, einer Steigerung der Nachhaltigkeit der Produktion. In den vergangenen fünf Jahren wurden im Projekt FarmerSpace Versuche in diesem Kontext durchgeführt. Im Folgenden werden die Erkenntnisse, strukturiert nach Kultur und Präzisierungsstrategie (zeitlich oder räumlich), dargestellt.
Getreide
In den Mähdruschkulturen wird Fungizid in höherer Intensität vor allem in den Früchten Raps und Winterweizen (WW) eingesetzt (https://papa.julius-kuehn.de/index.php?menuid=43). Das Projekt FarmerSpace hat sich schwerpunktmäßig auf den Fungizideinsatz im WW fokussiert, da hierzu in Phase I bereits Versuche durchgeführt wurden. Andere Getreidekulturen (Triticale, Gerste, Roggen) wurden nur in Einzelversuchen berücksichtigt, die Erkenntnisse sind aber in Teilen übertragbar.
1. Konzept eines Prognosemodells zur Bekämpfungsentscheidung.
Prognosemodelle für pilzliche Schaderreger, wie beispielsweise die frei verfügbaren Modelle der “Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz” (kurz: ZEPP) die über die Plattform des Vereins “Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion e.V.” (kurz: ISIP) erreichbar sind, simulieren die Infektionswahrscheinlichkeit von Pflanzenkrankheiten. Dafür nutzen sie den Zusammenhang zwischen Umweltbedingungen und Schaderregereigenschaften. Haupteinflussfaktor ist das Wetter mit Werten für Lufttemperatur, Luftfeuchte und Niederschlag. Aber auch die Fruchtfolge, die Art der Bodenbearbeitung und Sorteneigenschaften können Einflussfaktoren in Modellen sein.
Im Forschungsprojekt FarmerSpace wurde erprobt, anhand der Prognosen des SIG-Modells eine Bekämpfungsentscheidung abzuleiten und nach dieser Fungizid zu applizieren. Dazu wurde im ersten Schritt ein Versuchsansatz entwickelt, der direkt aus der Prognose eine Bekämpfungsentscheidung trifft. Das SIG-Modell gibt für jede modellierte Krankheit (im Winterweizen: Braunrost, DTR, Gelbrost, Mehltau und Septoria tritici) und jeden Tag eine Infektionswahrscheinlichkeit auf einer vierstufigen Skala (Infektion wahrscheinlich / Infektion möglich / Infektion unwahrscheinlich / außerhalb des gefährdeten BBCH-Stadiums) an. Die beiden Stufen „Infektion wahrscheinlich“ und „Infektion möglich“ wurden mit den Punktewerten 3 und 2 belegt und anschließend, für jede Krankheit separat, die Punktwerte für die jeweils zurückliegenden sechs Tage kumuliert. Wenn diese Punktsumme eine definierte Schwelle überschritt, wurde behandelt. Die Schwelle leitet sich aus den Einstufungen der jeweiligen Getreidesorte in den Landessortenversuchen (LSV) ab. Die LSV-Ergebnisse wurden hier den Einstufungen des Bundessortenamtes vorgezogen, da erstere schneller aktualisiert werden und somit Veränderungen in der Pathogen-Wirt Interaktion wie z.B. Resistenzbrüche einer Pathogenmutation schneller widerspiegeln. In Tabelle 1 ist exemplarisch für zwei Sorten die Einstufung aus der Ernte 2023 und somit die kritische Punktsumme für das Pflanzenschutzjahr 2024 für eine gesunde und eine anfällige Sorte dargestellt. Die Werte wurden jedes Jahr anhand der aktuellsten Ergebnisse angepasst.

Tabelle 1: Schwellensystem dargestellt anhand zwei Sorten.
Als zusätzliche Restriktion wurden im Weizen maximal drei Behandlungen appliziert. Die jeweiligen Behandlungsfenster wurden anhand der BBCH-Stadien festgelegt (Tabelle 2). Pro Behandlungsfenster war nur eine Behandlung zulässig. Zusätzlich wurde zwischen zwei Behandlungen ein Mindestabstand von zehn Tagen festgelegt. Die Wahl des zu applizierenden Fungizids und der Aufwandmenge erfolgten, sofern möglich, schaderregerspezifisch und in der Spritzfolge unter Gesichtspunkten der guten fachlichen Praxis (Wirkstoffwechsel).

Tabelle 2: Restriktionen der Behandlungen anhand der BBCH-Stadien.
Eine schematische Darstellung des Ablaufs zur prognosemodellgestützten Entscheidungsfindung für den Fungizideinsatz ist in Abb 1 ersichtlich. Das Konzept wurde in dieser Form im Winterweizen angewandt, ist aber auf andere pilzliche Schaderreger und Kulturpflanzen übertragbar. Essenziell ist das Vorhandensein zuverlässiger und für den Anwendungsfall geeigneter Modelle. Als Datengrundlage der Modellierung wurden zum einen interpolierte Wetterdaten des DWD verwendet, zum anderen aber auch Wetterdaten von eigenen Wetterstationen.

Abbildung 1: schematische Darstellung des Ablaufs zur prognosemodellgestützten Entscheidungsfindung für den Fungizideinsatz.
2. Die Versuche in der Praxis
Kumulativ wurde der Versuchsansatz in 47 Versuchen (unterschiedliche Standort*Sorte*Jahr Kombination) durchgeführt. Davon einmal im Roggen, zweimal in Triticale und zweimal in der Gerste, die anderen Versuche fanden im Winterweizen statt. Für die Versuche, die nicht im Weizen stattfanden, wurde der Versuchsansatz praxisgerecht dahingehend angepasst, dass die maximale Zahl der Behandlungen auf zwei begrenzt wurde.
Ferner wurden in 14 Versuchen zusätzlich eine oder mehr Varianten mit Prognosemodellen aus der freien Wirtschaft angelegt.
Beispielhaft wird folgend ein Versuch näher beleuchtet: Die Abbildung 2 stellt die Wetterdaten und Prognosen für den Fungizidversuch im Jahr 2023 am Standort Göttingen dar. Es zeigte sich, dass Messunterschiede in Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag zwischen DWD-Daten und eigenen Wetterdaten zwar vorhanden, aber nicht ausgeprägt genug waren, um einen merklichen Einfluss auf die vom Modell errechnete Infektionswahrscheinlichkeit zu haben. Die geringfügigen Abweichungen in den Prognosen sind wenige und nicht in die eine oder andere Richtung auffällig. Im Versuch wurden aus den Infektionswahrscheinlichkeiten nach dem oben beschriebenen Konzept direkt Behandlungsentscheidungen auf Basis der Wetterdaten des DWD und auf Basis der lokalen Wetterstationen abgeleitet. Das Resultat war ein identischer Behandlungsindex von 1,6 sowie ein nicht zu unterscheidender Kornertrag in den beiden Varianten (siehe ISIP DWD und ISIP lokal in Abbildung 3). Dennoch war der Ertrag aus den Prognosemodellen signifikant höher als in der unbehandelten Kontrolle und vergleichbar mit dem Ertrag aus der Intensiv-Variante mit einem Behandlungsindex von 2,2. Die Variante mit pauschaler Fungizid-Reduzierung auf eine Behandlung im Fahnenblatt lag ertraglich zwischen der Kontrolle und intensiven Variante. Dieser eine Versuch kann nicht vollumfänglich das Potenzial und die Risiken von Prognosemodellen als alleinige Entscheidungsgrundlage für den Fungizideinsatz im Getreide wiedergeben, er ist aber typisch für die Erfahrungen, die im Projekt FarmerSpace gemacht wurden. Nur bei Versuchen in stark anfälligen Sorten (z.B. Benchmark, KWS Donovan) waren die Infektionen, die das Modell prognostizierte auch in den unbehandelten Kontrollen ersichtlich. Insbesondere in diesen Versuchen bewährte sich der Versuchsansatz hinsichtlich einer Terminierung. Im Mittel aller nach dem Versuchsansatz behandelten Varianten wurden Fungizide mit einem Behandlungsindex (BI) von ~1,6 angewendet. Dieser Wert unterliegt allerdings deutlichen Schwankungen über die Jahre die die jeweilige Befallssituation wiederspiegeln. Im Jahr 2024 Betrug der durchschnittliche BI in den relevanten Varianten beispielsweise 2,2, in den Jahren 2021-2023 1,4 (Abb 4). An diesen Zahlen lässt das Potenzial von Prognosemodellen verdeutlichen, mit der Fungizidstrategie individuell auf die jahresspezifischen Bedingungen zu reagieren.

Abbildung 2: Wetterdaten und Prognosen für den Fungizidversuch im Jahr 2023 am Standort Göttingen.

Abbildung 3: Behandlungsindex und Kornertrag.

Abbildung 4: Behandlungsindex verschiedener Strategien über die Jahre.
Nur in elf Versuchen wurde tatsächlich eine Variante nach lokalen und eine nach interpoliertem Wetter behandelt. Dies ist primär dadurch begründet, dass sich aus den Erfahrungen der ersten Versuchsjahre zeigt, dass diese beiden Ansätze meist gleichbehandelt wurden. Auch die mangelnde Verfügbarkeit an echten lokalen Wetterdaten spielte bei dieser Entscheidung eine Rolle (Siehe Absatz 3).
3. Der Einfluss lokaler Wetterstationen
Um der Frage, inwieweit eigene Wetterstationen und somit lokal erhobene Klimadaten eine Prognose des Pilzbefalles verbessern, nachzugehen, wurden im Projekt FarmerSpace eigene Wetterstationen beschafft und über vier Vegetationsperioden in Versuchen aufgestellt. Die lokalen Daten wurden als Grundlage der Modellierung der Infektionswahrscheinlichkeiten genutzt. Für das genutzte Modell (SIG) sind lückenlose, stündliche Daten für Niederschlag, Luftfeuchte und Lufttemperatur notwendig. Höhere Datendichten wurden auf Stundenbasis aggregiert. Als problematisch stellten sich Datenlücken heraus. Um in der Vegetation handlungsfähig zu sein, wurden kleinere Datenlücken interpoliert und größere durch Daten der nächstgelegenen frei verfügbaren Wetterstation ergänzt. Aus Tabelle 3 wird deutlich, dass hinsichtlich der Datenbereitstellung der Wetterstationen noch deutlicher Optimierungsbedarf besteht.

Tabelle 3: Anteile verfügbarer Wetterstationsdaten auf Jahre und Parameter aggregiert
Die Tabelle 3 zeigt die Häufigkeiten der Anteile verfügbarer Wetterstationsdaten auf Jahre und Parameter aggregiert. Die Daten wurden im Zeitraum vom jeweils 01.03. bis zum 30.06. des Jahres erhoben. Die auffällig geringe Datenverfügbarkeit in 2021 ist der Nutzung eines nicht komerziellen Funkstandards geschuldet (LoRaWAN), zum Jahr 2022 wurden Sensoren mit anderem Funksystemen genutzt (Sigfox). Ein geringer Anteil der unzufriedenstellenden Datendichten ist darauf zurückzuführen, dass nicht alle Wetterstationen zum 01.03. eines Jahres im Feld standen, der größte Anteil ist aber durch hohe Datenverluste bei der Übertragung zu begründen. Die Tage an denen mehr als 50% der Daten für die Prognose auf den Wetterstationen beruhten wurden für einen Modellvergleich herangezogen. In Abb 5 ist der Vergleich des Modelloutputs des SIG-Modells in Abhängigkeit der Datengrundlage dargestellt. Die Abweichungen sind wenige und nicht klar gerichtet. Es kann also nicht von einer grundsätzlichen Änderung der Prognose in Abhängigkeit der Datengrundlage gesprochen werden.
Auch ein Vergleich der Wetterdaten zeigt einen grundsätzlich guten Zusammenhang der durchschnittlichen Stundenwerte der drei relevanten Messgrößen (Abb 6). Die Güte des Zusammenhanges ist bei Temperaturmessungen mit einem R² von 0,78 am höchsten. Bei relativer Luftfeuchte ist der Zusammenhang mit einem R² von 0,54 etwas schlechter. Ferner sind hier einige Ausreißer zu beobachten. Beim Niederschlag zeigen sich die stärksten Schwankungen und kein Zusammenhang (R² von 0,014). Dies verwundert wenig, da Niederschlag kleinräumig stärker variiert als Luftfeuchtigkeit und Temperatur (Hubbard, 1994).

Abbildung 5: Vergleich des Modelloutputs des SIG-Modells in Abhängigkeit der Datengrundlage

Abbildung 6: Zusammenhang interpolierts vs. lokales Wetter der drei relevanten Messgrößen
Die Aussagekraft der Ergebnisse aus eigenen Wetterstationen ist hinsichtlich der Prognosepräzision anhand eigener Wetterdaten ungenügend. Dies ist primär den Datenlücken und der daraus resultierenden kleinen Datenbasis geschuldet. Daher wurde ein Vergleich der Prognosen anhand von Wetterdaten von den Wetterstationen der Versuchsstationen der LWK-Niedersachsen durchgeführt. Diese Modellierungen fanden ex-post statt und wurden nicht als Grundlage einer Pflanzenschutzapplikation genutzt, sondern dienen ausschließlich dem Methodenvergleich. Das Vorgehen erfolgte analog zur Auswertung der eigenen Wetterdaten. Die Trends aus den eigenen Wetterdaten manifestieren sich dahingehend, dass die Abweichungen der Prognosen von einander keine klare Richtung erkennen lassen (Abb 7) und die Infektionswahrscheinlichkeiten in der absoluten Mehrheit der Fälle identisch modelliert werden. Auch das Ranking der Güte des Zusammenhangs der Parameter der Wettermessungen verhält sich analog zu den eigenen Wetterstationsdaten, wobei hier Ausreißer mit sehr geringen Niederschlagsmessungen der lokalen Wetterstationen vorzufinden sind. Diese sind mutmaßlich durch verstopfte Regenmesser zu erklären.

Abbildung 7: Abweichungen der Prognosen Wetterstation vs. interpoliertes Wetter

Abbildung 8: Zusammenhang interpolierts vs. lokales Wetter der drei relevanten Messgrößen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine unzuverlässige Wetterstation im Zweifelsfall mehr schaden als nutzen kann. Dies gilt umso mehr, da die gängigen Prognosemodelle auf der Basis von interpolierten Wetterdaten entwickelt und validiert wurden. Ferner gilt es zu beachten, dass eine hohe Datenqualität eine intensive Betreuung der Wetterstationen erfordert. Insbesondere der Regenmesser muss regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf gereinigt werden. Die vorgestellten Ergebnisse deuten darauf hin, dass eigene Wetterstationen nicht zur Steigerung der Präzision von Prognosemodellen beitragen.
Nichtsdestotrotz sind die Ergebnisse der Versuche zum Thema der Terminierung des Fungizideinsatzes hinsichtlich des potenziellen Nutzens für die landwirtschaftliche Praxis aussagekräftig: In inzwischen vierjährigen Versuchen (Saisons 2021-2024) zeigt sich wiederkehrend ein ähnliches Bild. Es konnten durch Beobachtung der Prognosemodelle im Vergleich zur intensiven Dreifachstrategie öfter Maßnahmen eingespart werden, ohne dass sich Infektionen unerkannt in den Beständen ausgebreitet haben. Diese Ergebnisse sind sicherlich anteilig durch die Jahreseffekte zu erklären: Das generell geringe Ertragsniveau 2021, die ausgeprägte Frühsommertrockenheit mit der verfrühten Abreife des Weizens im Jahr 2022 und das “Vertrocknen” der erfolgten Septoriainfektionen in den Jahren 2022-2023. Unterm Strich war in diesen Jahren und in gesunden Sorten eine Reduktion des Fungizidaufwandes ohne Ertragseinbußen möglich und ein Mehreinsatz oft unwirtschaftlich.
Die Nutzung des SIG-Modells ist zur direkten Ableitung einer Bekämpfungsentscheidung weder entwickelt worden noch geeignet. Eine Häufung von Risiko gibt oft generell pilzgünstiges Wetter an und die Schwellen im Versuchskonzept waren so definiert, dass nahezu immer im Laufe der Vegetation zwei Behandlungen ausgelöst wurden. Dadurch wurden die oberen Blattetagen gesund gehalten. Nur bei stark anfälligen Sorten (Benchmark/Donovan) konnte ein Zusammenhang zwischen hohen Infektionswahrscheinlichkeiten und tatsächlichen Infektionen bonitiert werden, und auch hier nur bei Gelbrost.

Abbildung 9: Schematische Darstellung des Optimierungspotenzials
4. Optimierungspotenzial ist gegeben
Im entwickelten Ansatz sehen wir Potenzial für zukünftige Entscheidungen bei der Fungizidterminierung, allerdings nur bei einer Überarbeitung und einer Fokussierung auf spezifische Anwendungsfälle. Diese Anwendungsfälle liegen oft in anderen Kulturen an, vor allem in solchen mit Schadbildern, die stärker durch einzelne Erreger dominiert werden. Eine Regulation pilzlicher Schaderreger anhand von Prognosemodellen bietet sich insbesondere bei Erregern an, die endemisch auftreten und die aufgrund langer Inkubationszeiten oder sehr starker Symptomatik kaum kurativ behandelt werden können. Beispiele hierfür sind Modelle, die auch dafür entwickelt wurden eine Bekämpfungsentscheidung zu geben wie SIMBLIGHT1 für den Spritzstart gegen Phytophthora infestans in Kartoffel oder SIMPHYT3 für den Spritzabstand gegen denselben Erreger. Im Winterweizen das Modell SEPTRI, das die Neuinfektionen durch Zymoseptoria tritici modelliert und unter der Prämisse, dass Inokulum im Bestand vorhanden ist, eine Bekämpfungsentscheidung gibt. Diese Modelle haben nicht den Anspruch eine alleinige Grundlage der Pflanzenschutzstrategie zu sein, können aber als ein Baustein relevante Informationen bereitstellen.
Aus Abb. 9 geht schematisch hervor, an welchen Punkten wir im System Optimierungspotenzial sehen.
consideration of resistance-mechanism, in-season-updates of resistance status
Der Resistenzmechanismus einer Sorte kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Zum Teil sorgen monogene qualitative Resisitenzen für einen absoluten Schutz, zum Teil sind Resistenzen aber auch multigener und quantitativer Natur. Dies ist bei der Schwellenfestlegung zu berücksichtigen. Manchmal werden in der Saison Resistenzen von Sorten durch neue Rassen von Schaderregern überwunden. In diesen Fällen ist die LSV-Einstufung aus dem Vorjahr nicht mehr erheblich.
disease-yieldloss-relation
Berücksichtigung des Schadpotenzials der einzelnen Schaderreger zum jeweiligen phänologischen Stadium der Nutzpflanze in Hinblick auf einen ökonomisch optimierten Pflanzenschutzmittel-Einsatz.
consideration of effect duration of PPP, ecological and economical evaluation
Berücksichtigung der Langzeitwirkung unterschiedlicher Pflanzenschutzmittel sowie ökotoxikologischer und ökonomischer Aspekte.
curative/protective
Konkret zum Beispiel Winterweizen und der Vielzahl der pilzlichen Schaderreger: Differenzierung der Krankheiten in solche die endemisch auftreten und protektiv zu behandeln sind (Septoria, Pseudocercosporella, Fusarium), bei diesen kann und sollte der Pflanschutzmittel-Einsatz anhand des Prognosemodells erfolgen, und Krankheiten die sporadisch auftreten und sich nach Erstinfektion im Bestand ausbreiten. Diese sind kurativ behandelbar und sollten nach Bestandeskontrolle, die anhand der Prognose terminiert ist, behandelt werden.
Use of weather forecast
Berücksichtigung der Wettervorhersage in Bezug auf zu erwartende Infektionen und optimale Anwendungsbedingungen.
Feedback loop for phenological plant growth model
Nutzung der Anpassungsmöglichkeiten des phänologischen Modells in der Vegetation.
Use of different models
Nutzung weiter Modelle wie SEPTRI und Übertragung in andere Kulturen wie Zuckerrübe und Kartoffel unter Nutzung von beispielsweise CERCBET oder SIMBLIGHT/SIMPHYT.
connect PPP treatment to documentation
Implementierung einer Feedback-Schleife, die bisherige Maßnahmen direkt über die Ackerschlagkartei dokumentiert und in der Planung weiterer Maßnahmen hinsichtlich des Wirkstoffwechsels berücksichtigt.
5. Fazit
Prognosemodelle bieten keine perfekte Lösung, sondern sollten als ein Baustein im integrierten Pflanzenschutz betrachtet werden. Sie ermöglichen eine gezielte Kontrolle der Bestände zu kritischen Zeitpunkten und können so Arbeitszeit, Nerven und Fungizidkosten sparen. Welche Zeitpunkte im Verlauf der Vegetation kritisch sein können verrät ein Blick in die Modelle. Gerade bei nicht kurativ zu behandelnden Krankheiten für die praktisch immer ein Inokulum vorhanden ist, wie zum Beispiel Septoria, bieten Prognosemodelle Chancen nicht pauschal, sondern zielgerichtet zu behandeln. Dennoch sind sie vor allem im Gesamtkonzept mit anderen Maßnahmen wie Fruchtfolge und Sortenwahl effektiv. Speziell dann können sie einen wertvollen Beitrag leisten können, um den Einsatz von Fungiziden im Winterweizenanbau effizienter zu gestalten.
Der in FarmerSpace getestete Versuchsansatz, aus den Prognosen des SIG-Modells direkt Bekämpfungsentscheidungen abzuleiten, ist als Versuchsansatz wertvoll um Aussagen hinsichtlich der Potenziale von Prognosemodellen zu treffen. Von einer Anwendung in der landwirtschaftlichen Praxis ist zum aktuellen Zeitpunkt abzuraten. Die mangelnde Auflösungsschärfe des Modells und das außer Acht lassen der Schadpotenziale einzelner Erreger sind eindeutige Probleme. Ferner ist nicht jeder Schaderreger auch im Feld vorhanden, nur weil er günstige Entwicklungsbedingungen vorfindet. Es besteht weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich des Nutzens lokal erhobener Wetterdaten. Hierbei ist eine Fokussierung auf einzelne Schaderreger, insbesondere jene die kurativ schwer bekämpfbar sind und die endemisch auftreten zielführend. Bei nur sporadisch auftretenden und anhand der Symptome gut zu bekämpfenden Krankheiten verbietet die konsequente Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes eine Applikation alleinig aufgrund von Simulationen. Der weitere Forschungsbedarf zur Übertragung auf andere Kulturen wurde umrissen. Ferner wurde dargestellt welche Eigenschaften eines pilzlichen Schaderregers bedingen, dass ein Prognosemodell zur Terminierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes erfolgreich sein kann.
Autoren:
Sophie Lange
(Landwirtschaftskammer Niedersachen)
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